Der Einsatz von 24-Stunden-Betreuungskräften in privaten Haushalten wirft eine Vielzahl ethischer Fragen auf. Denn es gilt sowohl die Würde der Pflegebedürftigen als auch die der Betreuungskräfte zu wahren. Hierfür braucht es eine sorgfältige Balance zwischen Nähe und professioneller Distanz, zwischen Hilfestellung und Achtung der Privatsphäre sowie der Berücksichtigung bestimmter rechtlicher Fragestellungen.
Von zentraler Bedeutung ist hierbei nach aller Erfahrung zunächst der Umgang mit den Arbeitszeiten. Der Begriff „24-Stunden-Betreuung“ suggeriert eine ständige Verfügbarkeit, was in der Praxis oft überlange Einsatzzeiten, fehlende Ruhepausen und eine ständige Bereitschaft zur Folge hat. Eine derartige Arbeitsweise führt allerdings in aller Regel zu körperlicher und psychischer Überforderung. Wichtig ist es deshalb, Arbeitszeiten und Erholungsphasen klar voneinander abzugrenzen. Es ist gesetzlich vorgeschrieben und ethisch geboten, dass Betreuungskräfte ausreichend Pausen und Ruhezeiten erhalten. Hierzu gehören auch regelmäßig freie Tage – etwa durch die Einbindung ambulanter Pflegedienste, Angehöriger oder einer zweiten Betreuungsperson im Wechselmodell.
Um Überlastungen zu vermeiden, sollte die geleistete Arbeit transparent dokumentiert werden. Ein einfaches Stundenprotokoll hilft dabei, den Überblick zu behalten und zeigt Respekt gegenüber der Zeit und Leistung der Betreuungskraft. Ebenso wichtig ist es, den Umfang der Aufgaben realistisch zu begrenzen und das eingesetzte Personal nicht mit einer Rundumverfügbarkeit zu überfordern.
Nicht zu unterschätzen sind im übrigen interkulturelle Herausforderungen. Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und soziale Isolation können sowohl für die betreute Person als auch für die Betreuungskraft belastend sein und die Qualität der Pflege beeinträchtigen. Es ist deshalb wichtig, sich regelmäßig mit der Betreuungskraft auszutauschen, ihre Rückmeldungen ernst zu nehmen und sie aktiv in Entscheidungen einzubeziehen, die den Alltag betreffen.
Bei einer häuslichen 24-Stunden-Versorgung ergeben sich aber natürlich auch im Hinblick auf die Pflegebedürftigen wichtige ethische Fragen. Denn Pflege ist ein zutiefst persönlicher, oft existenzieller Bereich des menschlichen Lebens. Die Qualität dieser Beziehung hängt wesentlich davon ab, ob die Würde, Autonomie und individuellen Bedürfnisse der betreuten Personen geachtet werden.
Pflegebedürftige Menschen befinden sich oft in einer Situation großer Verletzlichkeit. Sie sind auf Unterstützung in Bereichen angewiesen, die sehr intim sind – etwa bei der Körperpflege, beim Toilettengang oder beim Ankleiden. Die Art und Weise, wie diese Hilfe geleistet wird, entscheidet darüber, ob sich eine Person als respektiert oder entwürdigt erlebt. Eine überforderte Betreuungskraft, die unter Zeitdruck steht oder nicht ausreichend versiert ist, kann – wenn auch ungewollt – die Bedürfnisse der betreuten Person übersehen oder deren persönliche Grenzen missachten. Deshalb ist es essenziell, dass Pflegebeziehungen nicht funktionalisiert, sondern menschlich gestaltet werden.
Eng damit verbunden ist die Frage nach der Selbstbestimmung. Auch ein pflegebedürftiger Mensch hat das Recht, über seinen Tagesablauf, seine Gewohnheiten und persönlichen Vorlieben zu entscheiden. In der Praxis kann es jedoch passieren, dass die Betreuungskraft aus organisatorischen oder sprachlichen Gründen Entscheidungen übernimmt – etwa wann gegessen wird, welche Kleidung getragen wird oder wann jemand ins Bett geht. Besonders in Fällen von Demenz oder eingeschränkter Kommunikation besteht die Gefahr, dass die betroffene Person kaum noch Einfluss auf ihr eigenes Leben nehmen kann. Hier braucht es ein hohes Maß an Achtsamkeit und eine Umgebung, die Selbstbestimmung fördert, statt sie stillschweigend zu untergraben.
Als ethisches Problem erweist sich nicht zuletzt die soziale Isolation. Wenn pflegebedürftige Menschen fast ausschließlich mit einer Betreuungskraft interagieren, fehlt oft der Kontakt zur Außenwelt: zu Freunden, Nachbarn oder Familienangehörigen. Das kann zu Vereinsamung führen – selbst dann, wenn die Betreuungskraft freundlich und engagiert ist. Familien und Angehörige sollten sich daher nicht aus der Verantwortung zurückziehen, sondern im Gegenteil aktiv zur sozialen Teilhabe der pflegebedürftigen Person beitragen. Auf diese Weise ergibt sich gleichzeitig die Möglichkeit zur Aufsicht, um – im schlimmsten Fall – ein sich abzeichnendes Fehlverhalten der Betreuungskraft frühzeitig zu erkennen oder einen Vertrauensmissbrauch abzuwenden.